20.11.2022
Geteiltes Medienecho zur Aktienrente
Dr. Olaf Janke: Im Fokus der Medienberichte zum Thema Altersvorsorge steht im November die von der Politik geplante Einführung der Aktienrente - laut WirtschaftsWoche (11.11.) eines der Prestigeprojekte der Liberalen in der Ampel. Hierfür soll im kommenden Jahr ein Kapitalstock in Höhe von zunächst zehn Milliarden Euro aufgebaut werden, und zwar über Schulden. Zusätzlich will Bundesfinanzminister Christian Lindner Vermögen übertragen, zum Beispiel Beteiligungen des Bundes an Post und Telekom. Das Medienecho ist zweigeteilt, wobei von den Befürwortern vor allem auf die dringend notwendige Hinwendung zum Aktienmarkt verwiesen wird. Dementsprechend positiv gestimmt ist Christine Bortenlänger, Geschäftsführende Vorständin beim Deutschen Aktieninstitut, in einem Gastbeitrag für die Börsen-Zeitung (12.11.): „Aktuell steht das Thema Aktienrente wieder auf der Agenda der Bundesregierung. Das ist gut so, müssen wir das Thema Stärkung der Altersvorsorge doch dringend angehen - und die Aktie hat hier viele Vorteile zu bieten.“ Gleichwohl fordert die Autorin noch mehr Ehrgeiz und Mitteileinsatz der Bundesregierung bei der Aktienrente. Auch die Wirtschaftsjournalistin Christiane von Hardenberg sieht in der ZEIT (17.11.) einen erfreulichen Paradigmenwechsel eingeleitet - weg vom Festverzinslichen und hin zum Kapitalmarkt: „Die Aktienrente wird sicher nicht reichen, um die Rente zu sanieren, dafür sind die angelegten Beträge viel zu mickrig. Aber sie zwingt uns zum Umdenken - zum Glück. … Endlich müssen wir an die Börse.“ Von Hardenberg gibt damit die Ansicht zahlreicher Kommentatoren der vergangenen Monate wieder wie die von Focus-online-Autor Hugo Müller-Vogg (25.8.), der in einem Kommentar ausrief: „Schluss mit der Schmelze! Bringt unsere Rente endlich an die Börse.“ Allenthalben wird auch auf das Positivbeispiel Schweden verwiesen: „Vorbild für Deutschland - so macht Schweden 11 Prozent Rendite pro Jahr“, betitelt etwa WELT-Finanzredakteur Frank Stocker seinen Beitrag (16.11.). Und Sophie Crocoll berichtet in der WirtschaftsWoche (11.11.) von einem Besuch bei Richard Gröttheim, dem Chef des staatlich verwalteten, knapp 90 Milliarden schweren schwedischen AP7-Fonds, der dort als kapitalgedeckte Säule das Umlagesystem ergänzt. Gegenposition bezieht indes der Wirtschaftswissenschaftler Heiner Flassbeck, der in einem Kommentar bei heise-online unter dem Titel „Zocken für die Rente“ (11.11.) vor staatlicher Börsenspekulation warnt. Besonders gefährlich sei es, „wenn man nicht einmal mit dem eigenen Geld zockt, sondern sich verschuldet, um in den Kasinos dieser Welt sein Glück zu versuchen. Kann es noch etwas Absurderes geben?“ Der Autor warnt zudem, die jahrelange Aktien-Hausse gedanklich fortzuschreiben: „Die hohen Aktienkurse waren Ergebnis einer Spekulationsblase.“ Schulden zu machen, um zusätzlich zu sparen, sei letztlich „gesamtwirtschaftlicher Unfug“. Selbst wenn der Finanzminister im nächsten Jahr zehn Milliarden Euro Schulden zusätzlich machen würde, liefe das nur darauf hinaus, dass er zehn Milliarden vom Kapitalmarkt nimmt und sie gleich dem Kapitalmarkt wieder zurückgebe. „Was soll das? Zu glauben, dass man damit in dieser Welt eine nachhaltige Rendite via Aktien erzielen kann, ist absurd.“ IW-Direktor Michael Hüther sprach sich in einem Gastbeitrag für den Tagesspiegel (5.10.) ebenfalls gegen eine Aktienrente aus - insbesondere eine verpflichtenden: „Besser keine Aktienrente“, lautet sein Fazit. „Von der Aktienrente profitieren nicht die Versicherten, sondern die Finanzmärkte“, meint Hans-Jürgen Urban, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall, in einem Gastbeitrag für die WELT (15.11.). Eine vermittelnde Position nimmt Jan Schrader in einem Leitartikel für die Börsen-Zeitung unter dem Titel „Keine Aktienrente auf Pump“ ein (8.11.). Sein Resümee: Bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge könnte Schuldenmachen ausnahmsweise zum Erfolg führen. „Weil die Renditen an den Kapitalmärkten langfristig vermutlich höher liegen als die Zinssätze für Bundesanleihen, führt ein Kapitalstock im System der Altersvorsorge absehbar zu mehr Wohlstand - selbst dann, wenn der Topf mit Hilfe von Staatsschulden gefüllt wird. Die geplante Aktienrente greift diese Logik auf und soll zunächst über neue Schulden gedeckt werden.“ Eine schuldenfinanzierte Aktienrente sei „besser als keine Initiative“. Das aber sollte kein Dauerzustand sein, warnt der Autor, zumal ein Kapitalertrag nicht garantiert sei. Zudem könne eine weitere Kreditaufnahme am Kapitalmarkt höhere Refinanzierungssätze für den Staat nach sich ziehen und die Rechnung belasten. Doch das entscheidende Argument sei die drohende Zerrüttung der Staatsfinanzen: „Mit jedem Schuldenprojekt wird es schwieriger, zum Ziel einer geringen Neuverschuldung zurückzukommen.“ Fazit: Die Aktienrente ist nach Ansicht der meisten Kommentatoren alles andere als ein Selbstläufer. Positive und kritische Stimmen halten sich die Waage, wobei die Befürworter die Hinwendung Deutschlands zum Kapitalmarkt nach jahrzehntelangem Zögern hervorheben und die Kritiker knsbesondere das damit verbundene „Schuldenmachen“ ablehnen. Insgesamt sei es Deutschland aber gelungen, mit dem Konzept der Aktienrente in neue Fahrwasser aufzubrechen. >> Kontakt Zum aktuellen Club-Impuls |
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